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Chinas Bitcoin-Verbot: Die geheimnisvollen Strategien der Krypto-Fans


China hat Bitcoin praktisch verboten. Doch mit diesen Tricks machen furchtlose Anleger weiter

VIDEO: BITCOIN VERBOT IN CHINA - Wie ernst ist die Lage?
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Peking veröffentlicht zwei «Bekanntmachungen», und schon werden Bitcoin-Besitzer offenbar willkürlich festgenommen. Andere handeln versteckt weiter. Ein Lehrstück über Überregulierung in einer Diktatur.

China will umfassende Massnahmen gegen Kryptowährungen ergreifen.

Die Frau muss anonym bleiben, wie alle Interviewten in diesem Artikel, schliesslich wird es in China nicht immer gern gesehen, wenn jemand mit ausländischen Medien spricht, zumal über ein heikles Thema. Die Frau also ist Anwältin in der südchinesischen Metropole Shenzhen, sie ist spezialisiert auf Fintech und grenzüberschreitende Geldanlage. In jüngster Zeit bekommt sie nach eigenen Angaben jede Woche knapp ein Dutzend Anrufe von Klienten, die wegen Kryptowährungen Probleme mit der Polizei bekommen. Sie sagt: «Besonders in kleineren Städten denken Polizisten: Die Regierung hat Bitcoin verboten, also habe ich das Recht, jede Person im Zusammenhang mit Bitcoin zu verhaften.»

Und das täten die Polizisten dann auch, erzählt die Anwältin. In mehreren Fällen seien Klienten wegen des Handels auf Plattformen wie Huobi oder Binance verhaftet worden, oder auch nur wegen des Besitzes von Bitcoin. «Die Polizei fragt sie dann: Wie viele Bitcoins haben Sie? Auf welchen Adressen?» Bankkonten mit Krypto-Gewinnen würden eingefroren, manche Leute hätten ihre Guthaben wohl für immer verloren, behauptet die Frau.

Mitte September hat der chinesische Zentralstaat umfassende Massnahmen gegen Kryptowährungen verkündet. Neun Institutionen, unter ihnen das Ministerium für öffentliche Sicherheit, der Oberste Gerichtshof sowie die Zentralbank, erklärten gemeinsam (Link auf Chinesisch, mit Übersetzungs-Add-on lesbar), dass alle geschäftlichen Tätigkeiten in diesem Zusammenhang illegal seien; auch ausländische Krypto-Börsen dürfen den Einwohnern Chinas keine Dienstleistungen mehr anbieten. Eine weitere solche «Bekanntmachung», die zusätzlich unter anderem das Zentrale Propaganda-Departement unterzeichnete, verbietet generell das Schürfen und Emittieren von virtuellen Währungen.

Begründet wurden die Massnahmen damit, dass jüngst der Hype um den Handel mit solchen Coins zugenommen habe. Dies störe die wirtschaftliche und finanzielle Ordnung und führe zu illegalen Aktivitäten wie Glücksspiel, Betrug, Pyramiden-Schemata und Geldwäsche. Wie so oft, wenn in China neue Regeln im Namen der Sicherheit verkündet werden, schrieben sich die neun Institutionen zudem den Schutz der nationalen Sicherheit und der sozialen Stabilität auf die Fahne.

Geldwäsche und nationale Sicherheit

Aber sind das wirklich alle Gründe für das weitgehende Verbot, und vor allem: Sind es die wichtigsten? Die Zentralbank selbst hatte in der Vergangenheit gesagt, dass sie ihre eigene digitale Währung E-Yuan auch einführen wolle, um ihre geldpolitische Souveränität in Zeiten von Bitcoin und Co. zu wahren. Für 2022 ist der flächendeckende Start angekündigt.

Mehrere Befragte, meist Zufallsbekannte an Krypto-Treffen, denken zudem, dass das Verbot auch verhindern soll, dass Chinesen ihr Geld ausser Landes schaffen. China hat sehr strenge Kapitalkontrollen in beide Richtungen. Grenzüberschreitende Banküberweisungen sind nur schwer möglich.

Manche Befragte sehen auch eine grundsätzliche Motivation hinter dem Verbot. Sie sagen: «Die Kommunistische Partei will einfach alles kontrollieren.» Dieser Eindruck ist kaum von der Hand zu weisen.

Der Parteistaat ging insbesondere in den vergangenen Monaten mit brachialem Tempo gegen alles und jeden vor, die ihm nicht passen, seien es Internetplattformen, Nachhilfeschulen, feminin aussehende Pop-Sänger, Homosexuelle oder eine Gruppe von Bierfreunden. Dezentrale, weltweite Netzwerke, wie sie Kryptowährungen zugrunde liegen, sind schwer zu kontrollieren. Damit dürften sie per Definition nicht zu den Lieblingen einer Diktatur gehören.

Was genau nun im Zusammenhang mit virtuellen Währungen in China verboten ist, ist jedoch nicht so klar, wie es zunächst scheinen mag. Denn China ist eben kein Rechtsstaat. Wie die beiden «Bekanntmachungen» aus Peking umgesetzt werden, müssen ganz konkret weitgehend die Provinzen und Städte entscheiden.

Das läuft laut einer Quelle bei einer chinesischen Krypto-Handelsplattform typischerweise so ab: Der Partei- und Staatschef Xi Jinping sage, er wolle Faktor fünf erreichen. Die unteren Ebenen zielten dann auf Faktor sechs, sieben oder acht. «Und die lokale Polizei macht einfach mal Faktor zehn oder zwölf.» Denn kein Beamter wolle wegen vermeintlicher Nachlässigkeit im Gefängnis landen.

Die dezentral organisierten Kryptowährungen sind Xi Jinping ein Dorn im Auge. (Bild aufgenommen am 25. Oktober 2019)

Hilfspolizisten in Zivil

So kam es offenbar auch zu den von der Anwältin geschilderten Festnahmen von Bitcoin-Besitzern. In ihrer Heimatstadt Shenzhen ist der Frau kein entsprechender Fall bekannt; in den hochentwickelten Küstenmetropolen geht es üblicherweise geregelter zu als in ärmeren Regionen, vor allem im Landesinneren. In der Provinz Guizhou und anderen westchinesischen Städten hingegen verhafteten sogar Hilfspolizisten in Zivil Krypto-Anleger, obwohl sie das generell nicht dürften, sagt die Anwältin. Dagegen könnten die Opfer nicht viel tun. Sie rate ihnen, sich immer die Dienstmarke zeigen zu lassen und sich einen lokalen Anwalt zu nehmen.

Trotz diesen Risiken machen einige unerschrockene Krypto-Fans einfach weiter. Zwar lösten sich vereinzelte Szenetreffs in China vorsorglich auf, und an einem Treffen kürzlich nahmen laut dem Organisator nicht mehr wie zuvor 120 Gäste teil, aber eben immer noch 80. Eine Besucherin erzählte, dass sie gerade im Mai bei einer Handelsplattform zu arbeiten angefangen habe. Sie machten halt keine Werbung mehr in China, sondern nur noch im Ausland, das sei weiter legal.

Eine andere Person erzählte, dass sie weiterhin zu Hause Kryptowährungen schürfe; sie hoffe einfach, nicht entdeckt zu werden. Dazu nutze sie eine Internet-Tunnelverbindung per VPN, um die IP-Adressen ihrer Computer zu verstecken. Konkret verwende sie einen sogenannten voreingestellten VPN-Router, der mehr Zuverlässigkeit verspricht als die übliche VPN-Software.

Eine weitere Person sagte, sie verwalte ihr persönliches Portfolio über eine Firma, die auf den Britischen Jungferninseln registriert sei. «Ich investiere nur in Blockchain-Projekte und Kryptowährungen. Diese Branche wird mir weiterhin grosse Gewinne bringen.» Allein seit Mai, als Chinas Regierung bereits mit neuen Regulierungen den Bitcoin-Kurs auf Talfahrt gen 30 000 US-Dollar schickte, hat sich der Kurs wieder verdoppelt, auf gut 60 000 US-Dollar.

Unklar ist, ob der direkte Handel zwischen zwei Privatpersonen weiterhin erlaubt ist. «Anfangs hat die Regierung dagegen nichts getan», sagt die erwähnte Anwältin. Ein Online-Rechtsdienst der Zentralregierung teilte einem Nutzer auf eine entsprechende Frage auf Englisch nur ausweichend mit, derzeit gebe es dazu weder Gesetz noch Regulierung. In der chinesischen Version des Dienstes jedoch tönt es eindeutig: «Es ist illegal, digitale Währungen in China zu kaufen und zu verkaufen.»

Handel per verschlüsseltem Messenger

So oder so, dieser sogenannte OTC-Handel (over the counter) dürfte in China mangels legaler Krypto-Börsen florieren. Ein Nutzer erzählt, dass er dazu die Social-Media-App Secret Messenger nutze, deren Website es auf Englisch und Chinesisch gibt. In jüngster Zeit habe die App viele chinesische Nutzer hinzugewonnen. Mittlerweile stellten sie geschätzt mindestens 70 Prozent aller Nutzer, und im Gegenteil zu Nichtchinesen nutzten sie die App zum Direkthandel mit Kryptowährungen.

Als letzte Option bleibt chinesischen Krypto-Fans noch, ihr Geld irgendwie aus Festlandchina abzuziehen – oder gleich selbst wegzuziehen. Die erwähnte Anwältin hilft ihren Klienten, ihr Geschäft über Hongkong, Singapur oder die USA weiterzuführen, wo man unter anderem mit einer entsprechenden Lizenz eigene Krypto-Münzen herausgeben darf, sogenannte Security-Tokens. Börsenlizenzen seien in Neuseeland und den Niederlanden zu erhalten; ein Kunde habe sich auch in der Schweiz darum beworben.

Doch für solche Lizenzen braucht man meist mindestens einen Wohnsitz in einem anderen Territorium. Hongkong und Macau sind für solche Zwecke generell bei festlandchinesischen Geschäftsleuten beliebt; viele Chinesen leben bekanntermassen ja zum Beispiel auch in Nordamerika. Eine Quelle bei einer Investmentfirma berichtet von einer Krypto-Anlegerin, die gerade ein Visum für Malta erhalten habe. Und die Anwältin sagt ganz allgemein: «Reiche Leute in China fühlen sich nicht sicher. Sie versuchen einfach, eine Chance zur Auswanderung zu bekommen.»

Aus China in die USA

Einen Exodus hat es bereits unter den Krypto-Erzeugern gegeben, den sogenannten Minern (Schürfern). China war einst das wichtigste Land für die weltweite Erzeugung von Coins, unter anderem wegen sehr günstiger Energie aus Kohlekraftwerken im Landesinneren. Viele dieser Server-Farmen wurden in andere Länder ausgelagert, allen voran nach Kasachstan und in die USA.

Ausgerechnet der grosse Rivale im Rennen um die Vormacht im Bereich der Technologie und überhaupt auf dem Planeten ist nun der weltweit grösste Produzent von Kryptowährungen. Mehrere Befragte finden deshalb das Verbot der chinesischen Regierung ein dummes Eigentor. Womöglich denkt selbst die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission in Peking so: Kürzlich veröffentlichte sie eine Mitteilung zur Wachablösung durch die USA, und einen Tag später begann sie überraschend eine einmonatige Vernehmlassung zum Mining-Verbot.

So glauben mehrere Gesprächspartner, dass das weitgehende Krypto-Verbot nicht für immer gilt. Kryptowährungen und besonders die zugrunde liegende Blockchain liessen sich als technologische Trends nicht aufhalten, sagen sie. Und überhaupt wäre ein Zurückrudern für die chinesische Regierung nicht untypisch, denken sie. «Ich habe so etwas schon zwanzig Mal durchgemacht», sagt ein erfahrener Geschäftsmann. Eine junge Krypto-Enthusiastin bemüht einen Vergleich mit der Ein-Kind-Politik, die jahrzehntelang offiziell galt. Seit 2016 sind zwei Kinder pro Familie erlaubt, seit diesem Sommer drei Kinder ausdrücklich erwünscht.

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Author: Jonathon Blake

Last Updated: 1702658041

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Name: Jonathon Blake

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